Gott würfelt nicht, Autor*innen schon

Do’s, Dont’s und Fallstricke beim Weltenbau

„Ich mach mir meine Welt, widdewidde wie sie mir gefällt.“
– ein anonymer Fantasy-Autor

Fragt man Autor*innen, warum sie sich dafür entschieden haben, Fantasy zu schreiben, dann ist eine sehr häufige Antwort die Faszination für fremde Welten. Der Reiz des Unbekannten. Die Chance, etwas völlig Neues, Anderes, Einzigartiges zu kreieren. Gleichzeitig sehen sich Fantasy-Autor*innen auch oft dem impliziten oder expliziten Vorwurf ausgesetzt, ihre Arbeit sei so viel einfacher als die anderer Autor*innen, schließlich brauchten sie nicht zu recherchieren. Sie könnten sich ja alles mal eben so ausdenken. Spoiler-Alarm: So einfach ist das nicht.

Auf dem Literaturcamp in Heidelberg am letzten Wochenende habe ich zum Thema Weltenbau eine kleine Session für Interessierte gehalten und möchte die Ergebnisse hier kurz zusammentragen. Ergänzungen sind gerne gesehen.

Was braucht eine Welt?

Steht man als Autor*in vor der Herausforderung, eine völlig neue Welt zu entwerfen, stellt man sich natürlich die Frage: Womit fange ich an? Was ist überhaupt wichtig? Was brauche ich, um Leser*innen ein konsistentes und lebendiges Bild meiner Welt präsentieren zu können?

Auf der Role Play Convention haben die beiden Herren Bernhard Hennen und Robert Corvus – alte Hasen in Bezug auf Weltenbau – einen kleinen Einblick in ihre Vorgehensweise gegeben.

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Relevante Elemente beim Weltenbau

Um von einer Welt zu erzählen, können viele verschiedene Facetten von Bedeutung sein: Geografie (z.B. Klima, Landschaft), Demografie (z.B. Bevölkerungsanzahl & -dichte), Religion, Technik, Militär, Kultur (z.B. Gebräuche, Mentalität). Jede dieser Facetten kann man in weitere Unterpunkte aufspalten, bis ein hochkomplexes Schaubild entsteht, das von „Wie groß ist meine Welt?“ hinreicht bis „Welche Schuhe sind in Stadt X diesen Sommer eigentlich angesagt?“

Lost in Worldbuilding

Dass man sich in seinem Weltenbau durchaus verlieren kann, beweist das Beispiel von J.R.R. Tolkien. Sein Leben lang tüftelte er an Mittelerde, entwickelte eigene Sprachen, riesige Stammbäume und eine tausende Jahre umfassende Zeitrechnung. Trotzdem werden wir später in diesem Artikel feststellen, dass Mittelerde den Ansprüchen guten Weltenbaus nicht durchgehend genügt.

„Ich habe oft Lust, daran zu arbeiten, und erlaube mir’s nicht, denn so sehr ich daran hänge, kommt es mir ja doch wie ein höchst verrücktes Hobby vor“
– J.R.R. Tolkien über die Arbeit an Mittelerde (Quelle)

Kommen wir zurück zur Ausgangsfrage: Was braucht eine Welt, um stimmig und lebendig zu sein? Die Antwort darauf ist einfach und kompliziert gleichermaßen: Die Geschichte bestimmt, was erforderlich ist. Große Fantasy-Epen mit heroischen Schlachten erfordern eine klare Übersicht über militärische Strukturen, magische Möglichkeiten und geografische Strukturen (wer gegen wen und warum?). Bei Urban-Fantasy-Storys in städtischem Ambiente erscheint es relevanter, gesellschaftliche Strukturen, Urbanisierung und Technisierung zu thematisieren. Und eine Science-Fiction-Story lebt von der Beschreibung fremder Planeten und der technischen Errungenschaften ihrer Zeit.

Ganz banal lässt sich also zusammenfassen: Die Welt braucht, was die Geschichte braucht. Details, die darüber hinausgehen, können in angemessenen Dosen spannend sein und schönes Ambiente oder Konflikte schaffen. Zum Beispel, wenn sich die Helden einer action-geladenen Geschichte in einer Szene mit den Fallstricken der örtlichen Bürokratie herumschlagen müssen. Sie sollten aber sparsam eingesetzt werden.

Wann baue ich meine Welt?

Analog zu den Plottern und Pantsern gibt es auch im Weltenbau zwei grundlegende Strategien.

1. Die Geschichte entsteht aus der Welt

Bei diesem Vorgehen beginnt der Weltenbau vor dem Schreiben der Geschichte. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Welt ist bei Schreibbeginn bereits fertig, es existiert ein klarer, gut strukturierter Rahmen, in dem sich die Geschichte bewegt, und es gibt immer eine Quelle zum Nachschlagen. Nachteil ist allerdings, dass man sich leicht in später unnötigen Details verlieren kann oder feststellt, dass manche Prämissen die Geschichte gar nicht angemessen tragen. Zum Beispiel könnte man zu dem Schluss kommen, dass der coole Plot™ gar nicht funktioniert, weil die Konzeption der Magie bestimmte Handlungsoptionen gar nicht zulässt.

2. Die Welt folgt der Geschichte

Wer weniger planungsaffin ist, kann die Welt auch während des Schreibens entwickeln. Es existiert a priori nur eine grobe Idee, eine Skizze der Welt, die sich im Laufe der Geschichte entwickelt und verbreitert. Auch dieses Vorgehen hat Vorteile. Sobald sich der Plot in Grundzügen abzeichnet, kann man mit dem Schreiben beginnen, ohne lange Vorarbeit leisten zu müssen. Außerdem entwickeln sich Geschichte und Welt auf diese Weise eng Hand in Hand, sodass unnötige Details außen vor bleiben können. Der Nachteil besteht allerdings darin, dass die in der Geschichte gebündelten Informationen in eine angemessene Struktur gebracht werden müssen, um nichts zu vergessen und keine Widersprüche einzubauen. Oft ist dafür ein eigener Überarbeitungsdurchgang nötig.

Welche dieser beiden Strategien die bessere ist, kann und will ich so pauschal nicht beantworten. Ich habe beide Strategien ausprobiert und finde beide reizvoll. Macht es einfach so, wie es sich für euch richtig anfühlt. Oder kombiniert Elemente aus beidem.

Fehler im Weltenbau – geht das?

Ja, ich fürchte, das geht. Genau hier liegt der große Anspruch eines guten Weltenbaus: Neu geschaffene Welten müssen konsistent und stimmig sein, denn Logikbrüche führen bei Lesern bestenfalls zu Irritation, schlimmstenfalls zu Frust.

Während wir bei der Recherche für einen historischen Roman „nur“ überprüfen müssen, ob eine bestimmte technische Errungenschaft im Jahr X existierte, müssen wir uns beim Weltenbau ganz dezidiert überlegen: Ist es denkbar, dass die Menschen dieser Welt mit ihrem technischen Knowhow, ihren Möglichkeiten und Rohstoffen Produkt X herstellen können? Ist die Entstehung von X also grundlegend plausibel?

Laufen solche Überlegungen ins Leere oder werden gar nicht erst angestellt, schleichen sich Fehler oder Brüche ein. Klassiker sind zum Beispiel:

  • Magie ist allmächtig, kann aber das Welthungerproblem nicht lösen.
  • Die Welt ist gering technisiert, es gibt aber gigantische Millionenstädte.
  • Auf einem riesigen Planeten sprechen alle Wesen dieselbe Sprache.
  • Eine Stadt in der Wüste besitzt keine eigene Wasserquelle.

Westeros – ein Beispiel für lückenhaften Weltenbau?

Aufgrund solcher und ähnlicher Logiklücken musste sich auch George Martin Kritik an seiner Konzeption von Westeros („Das Lied von Eis und Feuer“) anhören. Lyman Stone hat auf seinem Blog einige Gründe zusammengetragen, warum Westeros so, wie es angelegt ist, eigentlich nicht funktioniert („Westeros is poorly designed“). Er kritisiert dabei die Tatsache, dass in Westeros trotz seiner Größe – Martin spricht von der Ausdehnung Südamerikas – nur eine Sprache gesprochen wird, dass die Heere und Städte proportional zu groß seien und dass die politischen Konflikte trotz ihrer Komplexität immer noch zu simpel seien gemessen an der Vielzahl an Parteien und Landstrichen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ein jahre- oder jahrzehntelanger Winter die Bevölkerung des Kontinents schon längst an den Rand der Vernichtung getrieben hätte.

Auch Tolkiens Mittelerde basiert eher auf ästhetischen als auf logischen Grundsätzen. Eine Bauweise wie der Turm von Minas Tirith erscheint angesichts der Nähe zu Mordor wenig clever, und trotz der Vielfalt an Wesen und Kulturen leben alle seit Jahrtausenden schön brav in ihren Territorien ohne sich jemals in die Quere zu kommen.

Mut zur Lücke

Natürlich sind das Spitzfindigkeiten. Wenn wir ehrlich sind – die wenigsten dürften diese Kritikpunkte beim Lesen der Bücher wirklich gestört haben. Dennoch sind sie ein guter Beweis dafür, wie viele einzelne Rädchen beim Entwerfen einer Welt ineinander greifen. Sicherlich kann eine Welt nie in allen Aspekten perfekt sein. Niemand ist gleichermaßen Expert*in Geologie, Geschichte, Wirtschaftswissenschaften und Ingenieurswesen in einem. Auch Leser*innen vergeben kleine Logiklücken, wenn sie für die Geschichte nicht in hohem Maße relevant sind. Die Daumenregel lautet: Wenn ausreichend Informationen vorhanden sind, um sich Zusammenhänge zu erschließen und Leser*innen zum Nachdenken anzuregen, dann ist das für gewöhnlich ausreichend. Und wenn ein Aspekt Probleme und Konflikte hervorruft, muss er weniger gut erklärt sein, als wenn er dem Helden aus der Patsche hilft.

Natürlich sind diese Grundsätze wiederum abhängig von Genre und Konzeption der Geschichte. Basiert sie z.B. auf Märchenmotiven oder bekannten Stereotypen, werden viele Logikfehler oder „Blind Spots“ verziehen. Je mehr die Geschichte jedoch dem Anspruch eines „fantastischen Realismus“ folgt, desto intensiver muss der Weltenbau ausfallen (Stichwort: George Martin).

Klischees bewusst aufbrechen

Um Fehler und Logiklücken zu vermeiden, empfiehlt es sich natürlich, zu recherchieren. Ein paar Tipps für Weltenbauer*innen habe ich am Ende des Artikels in einer Linkliste zusammengetragen.

Es kann außerdem hilfreich sein, Klischees, die mit bestimmten Epochen oder Themen verbunden sind, bewusst aufzubrechen. Warum nicht eine Welt entwickeln, die zwar an das europäische Hochmittelalter erinnert, aber geprägt ist von einer animistischen und pazifistischen Weltanschauung? Oder ein orientalisches Setting, in dem gleichgeschlechtliche Beziehungen toleriert und akzeptiert sind? Es ist eure Welt – seid kreativ. Lasst euch nicht von dem vorherrschenden Meinungsbild einengen. Denn wenn wir ehrlich sind: Mit dem „echten“ Mittelalter (das nebenbei ja auch 1.000 Jahre umfasst hat) haben die meisten Fantasy-Welten ohnehin nur wenig gemein. Wieso also nicht bewusst neue Wege einschlagen?

Mehr zum Thema „kultursensibler Weltenbau“ findet ihr in meinem Essay für „Roll Inclusive„.

Darf’s ein bisschen mehr sein?

Kann man eigentlich zu viel Weltenbau betreiben? Ich sage: Jein. Jeder darf sich natürlich so lange und so intensiv mit seiner Welt beschäftigen, wie er will. Je tiefer man selbst eintaucht, desto besser. Aber – und das ist der springende Punkt – man muss sich von dem Gedanken verabschieden, jedes schicken, aufregenden Feinheiten in den Plot integrieren zu können. Zu viele Details, die keinen Bezug zur Haupthandlung oder den Charakteren haben, arten schnell in Info-Dump aus und überfordern den Leser eher, als dass sie ihn faszinieren könnten.

Aspekte, die von Leser*innenn oft als störend empfunden werden, sind z.B. eine eigene Zeitrechnung (abweichend von Tagen, Wochen, Monaten), extrem viele Sonderzeichen in Namen und Begriffen, zu viele Eigennamen für Selbstverständliches oder ellenlange wissenschaftliche Abhandlungen. Selbst Glossare helfen dabei nur begrenzt, denn gerade bei Ebooks lässt es sich schlecht nachschlagen.

Im Zentrum der Überlegungen sollte immer die Absicht stehen, Plot, Charaktere und Welt zu einer Einheit zu verbinden. Wie sieht der Held seine Welt? Wie nimmt er Dinge wahr? Was erlebt er? Viel spannender ist es, als Leser*in mitzuerleben, wie der Protagonist an einer Feierlichkeit zu Ehren des Flussgottes teilnimmt, an dem traditionell eine Ziege im Fluss ertränkt und roher Fisch gegessen wird, als dieselbe Geschichte in einem Erzähltext präsentiert zu bekommen. Hier können Details das Ambiente und die Stimmung der Szenerie hervorragend einfangen, solange ein Bezug zum Protagonisten oder der Handlung erkennbar bleibt.

Was ist guter Weltenbau?

Kommen wir zu einem Fazit – der Artikel ist lang genug geraten. Guter Weltenbau basiert auf drei Prinzipien: Einfallsreichtum, Atmosphäre und Stimmigkeit. Er schafft die Balance zwischen der Vermittlung von Informationen und Emotionen, erklärt, was nötig ist, und lässt offen, was die Handlung nicht erfordert. Kreiert das Besondere im Althergebrachten. Integriert interessante, ungewöhnliche Details in eine Welt, die irgendwie bekannt, aber trotzdem fremd erscheint. Kurzum: Er erfindet das Rad nicht neu, verpasst ihm aber einen schicken Anstrich.

In diesem Sinne: Auf auf in neue Welten!


Werkzeuge für Weltenbauer*innen

Auto Realm (kostenfrei): Erstellung von Karten (Stadt-, Landkarten & Dungeons), Erfassung von Distanzen

Campaign Cartographer (ab 30 €): Erstellung von professionellen Karten, kommerzielle Nutzung erlaubt, sehr viele AddOns

Fantasy-City-Generator (kostenfrei): Generieren von mittelalterlichen Stadtkarten nach vorgefertigem Muster

Inkarnate (kostenfrei): Erstellen von schnellen, einfachen Karten

AeonTimeline 2  (48 €): Erstellung von Zeitstrahlen und Verläufen; kompatibel mit Scrivener

Scapple (15 $) : Erstellung von Clustern und Mindmaps, kompatibel mit Scrivener

Freemind  (kostenfrei): Erstellung von Clustern und Mindmaps

Village Generator (kostenfrei): Erstellen von (Zufalls-)Dörfern

Links für Weltenbauer

Weltenbauwissen

Weltenbastler Community

Medieval Population & Geography (Lyman Stone)

thematisches Board im Tintenzirkel

Mehr von mir über das LitCamp:

Von Hybridautoren und dem Sterben der Midlist

15 Gedanken zu „Gott würfelt nicht, Autor*innen schon

  1. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich von allen Ecken motiviert werden soll, wieder an Artikeln für den Weltenbau-Blog zu arbeiten, den mein Freund vor ein paar Jahren ins Leben rief und an dem ich mitschreibe.
    Erst ein Artikel, den ich lektorieren sollte, dann dieser Blogpost…
    Beim Bauen gehe ich selbst ambivalent vor. Einerseits versuche ich, wichtige Eckdaten noch VOR dem Schreiben zu klären, andererseits gibt es dauernd Kleinigkeiten, die ich übersehe, weil sie beim Festlegen der großen Dinge (Religion, Technik, Urbanität) unter den Tisch fallen – wie beispielsweise, welche Pflanzen in einer kleinen Region in der tiefsten Provinz wachsen und welche davon für die Zauberstäbe von Prä-Teenagern geeignet sind. (Reales Beispiel aus einem Projekt von mir).
    Dann pausiere ich kurz beim Schreiben, um den neu geschaffenen Weltenbaufakt erstmal zu notieren, damit ich am Ende das Ding zum Nachschlagen habe.
    Lästig und bringt gelegentlich raus, aber anders kann ich es nicht, ich bin nun mal eine Chaotin 😀

    1. Hihi, klingt, als solltest du dem Schicksal folgen. 😀

      Details wie Pflanzen oder Tiere lege ich auch nicht a priori fest, die notiere ich mir beim Schreiben in einer Tabelle, damit ich nichts übersehe.

      Ich hab für die „Flammenkinder“ auch wenig Weltenbau im Vorfeld betrieben, sondern eher exploriert, das fand ich sehr spannend. Hat aber eben den Chaos-Faktor, den du auch beschrieben hast.

      1. Jaaaa, nur dass mich die teilweise vor Jahren angefangenen Artikel so gar nicht reizen… Hm, vielleicht kratze ich noch Motivation zusammen und schreibe ganz neue, mal sehen. Oder ziehe sie ordentlich auf. Ich habe eine Systematik der Magiesysteme verschiedener Romanwelten, das wäre eigentlich total spannend, ich müsste nur mal aus dem Knick kommen….

        Statt Tabellen habe ich dafür virtuelle Ordner 🙂 – die Eigenschaften trage ich immer in einen Bastelbogen ein, ich habe einen für so ziemlich jede Gelegenheit.

        Chaos-Faktor und du musstest dann gucken, dass du dir selbst nicht widersprichst, oder?

        1. Magiesysteme klingt spannend, da bin ich selbst immer zu wenig kreativ, fürchte ich. 😉

          Das mit den Widersprüchen ist das Schwierigste, finde ich, gerade bei Zahlen. Nichts ist lästiger, als wenn die Stadt einmal 10.000 und einmal 20.000 Einwohner hat. Oder wenn das Stadttor mal östlich und mal westlich ist. 😛 (außer, es gibt zwei).

          1. Dann sollte ich echt mal diese Systematik schreiben, oder? 😀

            Boah, jaaaaa… Ich hatte mal Flüsse, die in die falschen Richtungen flossen und die Frage, was ich nun damit mache…
            Und ein Gebirge, das so lag, dass da unvermeidlich immer ein Sturm entstehen muss. Bei so gut wie jedem Wetter.
            Meine Lösung: Dann gibt es da halt dauernd Sturm, ich brauch das Gebirge so wegen der Grenzen, ich ändere das jetzt nicht mehr … (und entsprechend seltsames Wetter gibt es dann im Umland.)

  2. Ich finde historische Berichte oder Kulturen ganz wichtig. Wenn ich in einem bestimmten Punkt unsicher bin, ob ich das so festsetzen will, schaue ich mir gerne historische Kulturen an, die z.b. denselben technologischen Standard haben. Dann lese ich nach, ob sie diesen strittigen Punkt haben oder nicht, überlege mir, warum das der Fall ist (oder eben nicht) und entscheide dann.

    Meist baue ich meine Welten aber nach dem Wenn-dann-Prinzip: WENN ich z.b. ein stehendes Heer haben will, DANN brauche ich a) viel Geld, b) regelmäßigen Geldfluß. WENN ich einen regelmäßigen Geldfluß bestimmter Größenordnungen brauche, DANN brauche ich folgendes…
    Meist führt das dann zu vielen Bedingungen und Abhängigkeiten. Wenn ich noch einige bestimmte plotspezifische Dinge umsetzen möchte, ist die Welt in ihren relevanten Details praktisch fertig.
    Im Prinzip ist eine funktionierende Welt doch wie ein Uhrwerk, es gibt viele Zahnräder, die zusammen greifen müssen. Und wenn man merkt: da dreht sich was nicht, muss man etwas ändern.

    Bei einem Plot musste ich mir einmal eine Hintergrundgeschichte ausdenken, die erläutert, warum das Land praktisch entmilitarisiert ist. Ein (starkes) Militär hätte den Plot zunichte gemacht, da er auf einem Machtvakuum beruhte.
    Es gab aber noch viele andere Dinge, aus denen man prima eine solche Hintergrundgeschichte basteln konnte. In solchen Momenten wirkt es manchmal, als erfinde ich keine Welt, sondern entdecke etwas Verborgenes – denn alle Zahnräder, die für diese plötzliche Wendung gebraucht werden, existieren und alles greift mit minimaler Steuerung ineinander.

    1. Danke für deine Antwort, Fia.

      Die Orientierung an historischen Vorbildern finde ich auch sehr wichtig, das ist eine angenehme Orientierungshilfe. Gerade wenn man, wie du das beschreibst, nicht einfach ungefiltert Dinge übernimmt, sondern sie hinterfragt. Das hilft nämlich auch in die andere Richtung. Wenn man z.B. eine Welt ohne starke religiöse Färbung entwickelt, tut man sich schwer, das mit einer Kultur zu vergleichen, wo Religion eine zentrale Rolle in der Gesellschaft spielt. Dann muss man eben auch überlegen: Welche Alternativen gibt es?

      Diese Wenn-dann-Vorgehensweise kommt mir auch sehr schlüssig vor. Dazu muss man halt wissen, wohin man mit der Story will. Aber ich denke, eine gewisse Richtung sollte man haben, wenn man mit dem Schreiben beginnt.

      Wirklich ausdenken kann man sich dann ja immer noch die kleinen Details, die die Welt mit Leben füllen.

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